rokeblog

Der Laden ist dicht. Das alte Scherengitter des SO36 bleibt zu, und zwar noch eine ganze Weile. In der Halle, in der sonst regelmäßige Ausschweifung und pünktliche Ekstase herrschen, ist es dunkel und still. Der Tresen staubt ein und ein alter Rollwagen mit Krempel steht einsam in der Mitte herum. Hier hat sie sich also versteckt, die Mitte? Ein Aschenbecher aus Zeiten als im SO36 noch geraucht werden durfte – der gesellschaftliche Zugriff auf die Gesundheit hier schon lange gegenwärtig: Pistazien-Schalen statt Kippen darin. Die Shows, die auf den Plakaten an der Wand angekündigt werden, die Rede dort von Eskapismus und Rebellion, hatten schon nicht mehr stattgefunden.

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iwie

Dieser Herr sagte ständig „irgendwie“. Irgendwann sagte er, er sei dann „irgendwie“ vom Weg abgekommen. Ja, wie denn? Geirrt? Oder gestolpert? Wie er durch seine eigenen Sätze stolpert? Aber sein Wort „irgendwie“ sagt doch nicht, der Umstand sei irrelevant, es sagt, was er sagt sei in Gänze irrelevant. „Irgendwie“ erfüllt die Funktion Unbestimmtheit auszudrücken. Wer, wie der Herr, nicht vom Inhalt seiner Rede überzeugt ist, benutzt dieses Wort. Aber auch, wer vom Inhalt seiner Rede überzeugt ist und nicht in der Lage, diesen Inhalt sprachlich treffend abzubilden. Weil sein Hirn leiert und ihm das Wort eine nötige Pause verschaffen muss. Mit der Eingebung des Irgendwie-Sagenden, dass der Inhalt seiner Rede nicht wirklich wert ist gesprochen zu werden, liegt der Betreffende vollkommen richtig, und diese Ahnung ist es, die ihn straucheln lässt. Wie schon selbst Nena feststellte, sind diese Irgendwie-Menschen verloren in Raum und Zeit. Vom Weg abgekommen. Ihr Irrtum ist es, es doch zu versuchen, trotz ihrer Erkenntnis das Wort zu ergreifen. Das bedeutet nichts anderes, als dass man immer wenn man „irgendwie“ vernimmt, seinem Gegenüber mitteilen sollte, dass er bitte die Klappe halten soll, da er nichts zu sagen hat oder nicht in der Lage dazu ist. Das tat ich.

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Ich bräuchte eine Schnur!

Die mich richtet, die

den Zweifel mir vernichtet.

Die verdichtet was mir scheint.

Mir berichtigt was berichtet, was gemeint.

Ich bräuchte eine Klinge!

Die mir kappt, was

ständig einfach überlappt.

Und mir den eingeschnappten Blick verstellt.

Und zielgenau – in den Kern der Sache fällt.

Weil mir sonst der Hals verrenkt,

weil sich der Sinn dauernd verfängt.

Und ich ihm auf der Spur gar abgelenkt 

vom Weg der Wahrheit abgedrängt.

Was glaub ich nur!

Was glaub ich nur,

ich bräuchte eine Schnur.
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Die besondere historische Situation Berlins bot lange einmalige Arbeits- und Lebensbedingungen für Künstler*innen. Mehr und mehr sind die Akteur*innen der Kunstszene von den Prozessen der Verdrängung bedroht. Darüber diskutieren Wibke Behrens (KuPoGe), Heidi Sill (BBK Berlin), Robin Jahnke (SO36) und Klaus Lederer. 
Das Unvermögen der Kunst als ihr Vorsprung
(Idee. Tim Stapel)